INSPEKTOR SVENSSON: WANNABE SVENSSON [Der neue Adventskalenderroman]

Die folgenden Ereignisse finden zwischen 24 und 01 Uhr am Vortag bzw. am Tag zum Heiligen Abend des Jahres 2009 nach Christi Geburt statt. Alles, was Sie lesen, ereignet sich in Koordinierter Weltzeit UTC.

23.12.2009 - 24:00 UHR

[Lukas kehrt noch einmal zum Ausgangspunkt zurück, Wannabe auch]

Der Konvoi mit den vier Mannschaftswagen des CI7 bahnte sich, so rasch es die immernoch recht glatten Straßenverhältnisse zuließen, den Weg durch das nächtliche London zurück zum Hauptquartier. Im Wagen der Einsatzzentrale aber wurde schon eifrig an der Auswertung der ICQ-Protokolle von der Festplatte aus Lou Cyphers Netbook gearbeitet. Timmy, der dabei mit der letzten Sitzung begonnen hatte, war inzwischen an einer der wichtigsten Stelle angelangt, und las Jack und Youstan Texas, die sich mit ihm im Wagen befanden, den alles entscheidenden Satz vor: "Den genauen Starttermin unserer Aktion 'Final Countdown' finden Sie hier: 010-120150-006". Und gedankenversunken ergänzte er: "Ob das die Telefonnummer zu einem weiteren Hintermann der Organisation mit Kenntnis des Termins ist?! Oder aber vielleicht auch der Zahlencode für ein Schließfach, in dem der Angriffsplan liegt?!". Jack, der gerade eben ein Telefonat mit dem St.Peter Memorial, in das Henry Fist inzwischen eingeliefert worden war, beendet hatte, aber sah ihn recht verdutzt an und meinte: "010-120-150-006, sagten Sie? Ganz genau diese Zahlenreihe hat nach Auskunft seines behandelnden Artzes Dr.McEntire auch Henry Fist auf dem Weg ins Krankenhaus immer wieder vor sich her gesprochen, wobei er sich die Ziffernkombination anscheinend in Dreiergruppen eingeteilt hatte". Timmy nickte anerkennend: "Kluger Kopf, dieser Fist! Auch wenn es meiner Ansicht nach noch einfacher für das menschliche Hirn ist, sich so eine lange Zahl gedanklich in Blöcke von je 4 Ziffern zu zerlegen, da man sie sich dann oft wie eine PIN, ein Datum oder eine Unrzeit ...". Tim Hackerman stockte plötzlich in seinen Überlegungen, dann aber rief er begeistert aus: "Halleluja, genau das ist es! 0101-2015-0006. Das ist der 01.01.2015 um 00:06 Uhr. Das ganze ist also nicht irgendein Zahlencode, der zum Angriffstermin führt, sondern der Termin selbst!". Jack aber klopfte ihn anerkennend auf die Schultern: "Bravo, Timmy! Ich sags ja, wenn wir Sie nicht hätten! Und nun schaun Sie sich mal die älteren ICQ-Protokolle an, ob es da nicht irgendeine Spur zu den beiden Hintermännern mit den Nicknames PreMount un DCALive und ihren möglichen Motiven gibt!". Timmy nickte: "Wird gemacht, Jack! Stets zu Diensten, Sir!". Und dann setzte er sich sofort wieder an einen der Monitore.

Vor einem Monitor ganz anderer Art saß wenige Minuten später auch Charles Wannabe, über die verstaubte Weihnachtsmannkluft einen klinisch sauberen, hellgrünen OP-Kittel geworfen und starrte auf die schwache aber regelmäßige Sinuskurve, die das Gerät vor ihm aufzeigte. Bis auf den von jenem Gerät ausgehenden nahezu sekündlich wiederkehrenden Piepton und einem ebenso regelmäßigen leisen Pfeifen im Kolben eines Beatmungsgerätes war es in dem Zimmer, in welchem er auf einem Holzstuhl saß, mucksmäuschenstill. Hinter der Tür zum angrenzenden Flur hingegen nahm sein Ohr immer wieder Stimmen und Schritte wahr - Schritte, die langsam näherkamen und sich dann ebenso langsam wieder entfernten. Seine Finger hielten dabei die zarte, schlaffe Hand jener Frau, die - an all die Gerätschaften im Raum angeschlossen - vor ihm in einem Patientenbett lag, und deren weitoffene Augen starr und unbeweglich zur Decke blickten. Charles Wannabe aber erhob nun seinen bislang gesenkten Blick ebenfalls in Richtung Zimmerdecke und begann zu flüstern: "Ach Janet, wie lange hab ich nicht den Mut gefunden, Dich hier zu besuchen. Hier im Komabereich des Pflegeheims 'Heavensdoor', wo man Dich nach Deinem Aufenthalt im Gefängnislazarett vor zwei Monaten untergebracht hat, als feststand, daß Du nie wieder aus dem Koma erwachen wirst. Weißt Du, ich wollte Dich einfach nicht sehen, und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen war ich unheimlich wütend auf Dich, weil Du mich belogen und betrogen hast und weil Du mit diesem verfluchten Derek Crawler gemeinsam Deinen eigenen Vater hinterhältig und kaltblütig umgebracht hast. Ich konnte und wollte das einfach nicht verstehen, wie dieser Kerl Dich soweit bringen konnte. Zum anderen aber wollte ich Dich vor allem nicht so sehen. So, wie Du jetzt hier liegst - ohne Bewußtsein, hilflos und ohne jede Aussicht auf eine Verbesserung Deines erbärmlichen Zustands. Dabei wünschte ich mir doch so sehr, Du würdest nur noch ein einziges Mal aufwachen, um mir erklären zu können, wie es jemals soweit mit uns Beiden kommen konnte. Sicher, unser Bund fürs Leben war von Anfang an mehr oder minder eine Scheinehe - eine Ehe, die nur auf einem Trauschein bestand und mehr ein Bündnis zum gegenseitigen Nutzen darstellte als eine besiegelte Liebesbeziehung. Aber ich glaubte doch die ganze Zeit felsenfest daran, daß Du mit diesem Arrangement genauso gut leben könntest wie ich. Das war dann ja wohl ein folgenschwerer Irrtum meinerseits mit nicht wiedergutzumachenden Folgen, oder?! Ich hab Dich damit auf Deiner sehnsüchtigen Suche nach Zuwendung und Anerkennung scheinbar förmlich in die Arme dieses skrupellosen Kriminellen getrieben. Und Du hast in Deiner Schwärmerei für sein heuchlerisches Getue nicht einmal bemerkt, daß auch er Dich nur ausgenutzt hat für seine Zwecke und Machenschaften. Oh nein, ich mach Dir jetzt keinen Vorwurf mehr daraus! Ich bin selbst nicht weniger schuld an dem Ganzen als Du! Eim Mensch braucht eben mehr als gesellschaftliches Ansehen oder finanzielle Absicherung im Leben. Alles, was wirklich zählt, ist Freundschaft und Liebe. Ja, vor allem jene wahre und wahrhaftige Liebe, die stets das Glück des anderen mehr im Auge hat als sich selbst. Weißt Du, Janet, ich wünschte, Du hättest die Möglichkeit gehabt, eine solche Liebe zu finden, statt an mich und diesen elenden Wurm Crawler zu geraten. Doch leider Gottes war Dir das nie vergönnt und wird es nun auch nie mehr sein. Auch ich konnte und kann sie Dir nicht geben. Alles, was ich Dir noch zu geben vermag, ist Vergebung! Ja, Janet, ich vergebe Dir, und ich bitte Dich inständig, auch mir zu vergeben. Mir all das zu vergeben, worin ich mich durch mein Verhalten an Dir schuldig gemacht habe - damit ich endlich frei bin. Frei für ein neues Leben und vielleicht auch für eine neue Liebe - eine, die diesen Namen wirklich verdient, weil sie ganz ohne Berechnung tief aus dem Herzen kommt. Aus einem längst verloren geglaubten, mitfühlenden Herzen, das ich in den letzten 24 Stunden endlich wiedergefunden und mit Hilfe vieler alter und neuer Weggefährten an meiner Seite erfolgreich reanimiert habe. Ja, Du hast recht gehört, Janet! Ich bin nicht mehr der, der ich war - aus mir ist ein neuer Mensch geworden. Und dieser neue Mensch will nun auch noch einmal ganz neu beginnen mit seinem Leben. Dazu aber muß ich erst mein altes Leben bereinigen und schließlich hinter mir lassen. Und darum: Leb wohl, Janet!". Damit erhob er mit seinen zittrigen Fingern ihre kalte, bleiche Hand zu seinen Lippen und hauchte ihr einen zarten Abschiedskuß auf. Dann legte er die Hand wieder behutsam auf die Bettdecke und rückte im Aufstehen seinen Stuhl von dem Bett ab. Der regungslos Daliegenden ein letztes Mal stumm zublinzelnd, kehrte er schließlich um und verließ das Zimmer leisen Schrittes, worauf er sich über den langen Flur und das Treppenhaus des Pflegeheimes durch dessen große, geschmackvoll eingerichtete Empfangshalle auf die Straße zu Claudias Wagen begab und mit diesem schon eine Minute später eilends davonfuhr.

Auf dem Innenhof des CI7 wurde derweil Lou Cypher unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen und unter den ausgesprochen kritischen Blicken Jacks vom Gefangenentransporter in den Keller des Gebäudes mit seinem Hochsicherheitszellentrakt und den Verhörräumen gebracht. Der Gefangene war gerade im Gebäude verschwunden, als Jacks Handy klingelte, aus dem Sekundenbruchteile später die Stimme seiner Vorzimmerdame erklang: "Sir, ich hatte da gerade einen Anruf von einem gewissen Mister Adams, der mitteilen läßt, er sei vor ein paar Stunden dem Yardchef Douglas in einem Taxi zu dessen Wohnung in der Yellow Brick Road Nummer 66 gefolgt und habe ihn dort bei dem Versuch, mit Sack und Pack aus der Stadt zu verschwinden, dingfest gemacht. Sie fänden ihn weihnachtlich verpackt in seinem Schlafzimmer. Soll ich die Metro Police verständigen, damit sie eine Streife hinschicken?". Jack aber erwiderte leise grinsend: "Der gute George! Äh nein, Carla, darum kümmere ich mich persönlich!". Daraufhin beendete er das Gespräch und beorderte die Agents Smith und Wesson zu sich, mit denen er wenige Minuten später in einem Ford Escort in Richtung Yellow Brick Road abfuhr.

Lukas Svensson hingegen war unterdess angekommen, wenn auch nicht ganz da, wo er eigentlich hingewollt hatte. Statt vor seiner Wohnung stand er jetzt nämlich wieder direkt vor dem Büro der Detektei, die unter anderem auch seinen Namen trug. Er konnte zwar immer noch nicht genau sagen wieso, aber irgendetwas hatte ihn einfach noch einmal hierher getrieben. Als er auf dem Bahnsteig des Ubahnhofs nahe der Jump Street angekommen war, standen da nämlich zwei Züge zur Abfahrt bereit. Einer in Richtung seiner Wohnung, der andere in Richtung Baker Street. Aus dem Augenwinkel heraus aber hatte er durch eines der Zugabteilfenster der nach Baker Street fahrenden Bahn ein junges Paar mit einem kleinen, dick eingewickelten Baby im Arm stehen gesehen, über dessen Köpfen das Werbeplakat einer deutschen Autofirma unter dem Zeichen eines stilisierten silbernen Sterns verkündete: "Sei weise und folge dem Stern!". Und da war er spontan dieser Aufforderung und damit auch dem ominösen Stern gefolgt, der ihn auf dem Schienenwege nun geradewegs hierher geführt hatte. Wieder raunte er an der Bürotür sein "Gestatten, Sherlock Holmes!". Und wieder öffnete sich schlagartig die Tür, wobei deren kühle Computerstimme erwiderte: "Guten Morgen, großer Meister! Treten Sie nur ein!". Das ließ sich Svensson nicht zweimal sagen, und schon stand er mitten im Raum, den er nur einen Augenblick später mit dem alttestamentlichen Satz "Es werde Licht!" erhellte. Dabei blinzelten ihm von der Couch her die verschlafenen Augen Saxis entgegen, der gähnend fragte: "Lukas, Sie?! Wie spät ist es denn?". Und mit einem Blick auf die Wanduhr sprang er auf und murmelte ganz aufgeregt: "Meine Güte, schon fast halb 1 Uhr nachts. Und ich hab noch nicht einen halben Penny verdient! Ich bin dann mal weg zu einem Gastspiel in der Nachtbar zwei Straßen weiter. Bis heute abend, mein Freund! Und danke nochmal fürs Hier-Ausruhen-Dürfen!". Lukas aber winkte ab: "Kein Thema, Saxi! Bis später!". Der Musiker kramte daraufhin sein Instrument hinter der Couch hervor und verschwand damit eilends aus der hinter ihm ins Schloß fallenden Tür. Lukas war allein, als es bei ihm plötzlich wieder recht eigenartig in Brustnähe zu vibrieren begann. Und so zog er bedächtig sein Handy aus seiner Regenmantelinnentasche hervor, wobei er zu seinem Erstaunen feststellte, das es selbst nach dem Mißbrauch als Wurfgeschoß noch tadellos zu funtionieren schien. Schließlich hielt sich Svensson das Telefon ans Ohr, wobei ihm sofort die erregte Stimme Timmys entgegenschallte: "Lukas, ich hab da was Wichtiges entdeckt beim Durchsehen von Cyphers Computerfestplatte. In den früheren Nachrichten seiner Komplizen PreMount und DCALive tauscht nämlich immer wieder die Bemerkung auf, sie hätten noch eine alte Rechung in London zu begleichen und dazu stets ein und derselbe Name ...". Lukas zuckte mit den Schulterblättern und fragte: "Ja, und welcher ist das?". Timmy aber antwortete: "SVENSSON! Das bist Du! Lukas, Du!". Sichtlich überrascht kratzte sich Lukas mit der freien Hand an der Stirn: "Ich? Ja, wer um alles in der Welt hat denn aus Cyphers Umfeld mit mir noch eine Rechnung offen?". Timmys Stimme aber erwiderte: "Keine Ahnung, Lukas! Aber paß bitte auf Dich auf, ja?!". Lukas versprach es Timmy und beendete dann das Gespräch. Dann grübelte er - das Handy noch immer in der Hand - darüber nach, wer sich wohl hinter den mysteriösen Pseudonymen PreMount und DCALive verbergen könne, wobei sich plötzlich vor seinen Augen die Bürotür einen Spalt weit öffnete. Svensson hielt sein kampferprobtes Funktelefon sofort in Wurfbereitschaft, als im Türspalt der Kopf Wannabes auftauchte und mit aufgesetzter Unschuldsmiene sprach: "Morgen, alter Schwede! Na, zwei Doofe, ein Gedanke, wie?!".

Auch Charles Wannabe konnte es sich nicht so recht erklären, was ihn hierher geführt hatte, wo er doch eigentlich schon auf dem Weg zu Claudia gewesen war. Vielleicht trieb es Lukas und ihn ja sozusagen nach fast genau 24 Stunden einfach wieder an den Ort zurück, wo alles angefangen hatte - genau wie einen Täter nach einer weit verbreiteten Auffassung bekanntlich immer wieder an den Tatort. Die beiden Detektive jedenfalls beschlossen, der Frage nach dem Warum ihres Da-Seins erst einmal nicht weiter nachzugehen, und nahmen stattdessen links und rechts hinter dem Schreibisch platz. Dabei bemerkte Wannabe leise seufzend: "Ach ja, da sind wir also wieder! Und wie wir uns seit unserem ersten Treffen hier verändert haben!". Svensson grinste und sprach mit einem verstohlenen Blick zur Seite: "Ja, stimmt, Sie Weihnachtsmann, Sie!". Auch Charles mußte hinter seinem Wattebart schmunzeln: "Ja, und an Ihrem ollen Speckmatel prallen inzwischen sogar schon die Kugeln ab! Sie sind scheinbar einfach unkaputtbar, altes Urviech!". Über diese abfällige Bemerkung aber lachten nun beide Männer gleichermaßen aus voller Brust. Erst als sich nach einigen Minuten ihr Gelächter langsam wieder legte, warf Charles Wannabe nachdenklich ein: "Tja, nur zu schade, daß wir trotz unseres ereignisreichen Arbeitstages unseren ersten gemeinsamen Fall doch nicht fristgerecht zu lösen vermochten!". Während Lukas gerade zustimmend zu nicken beginnen wollte, klingelte das Telefon auf den Schreibtisch vor ihnen. Svensson hob ab und hatte Pastor Shepherd am anderen Ende, welcher ihm geradezu jubelnd entgegenschrie: "Ein Wunder! Es ist ein Wunder geschehen! Er ist zurück! Mister Svensson, unser Paulus ist wieder da! Die Mutter eines kleinen Mädchens namens Lilly hat ihn uns eben zurückgebracht und erzählt, Ihre Tochter habe die Figur auf einer nachmittäglichen Spazierfahrt im Hyde Park gefunden, so wie sie es mit der Statue zuvor bei ihrem letzten Besuch in unserer Kirche verabredet habe! Naja, das ist vermutlich nicht ganz die Wahrheit, nicht wahr?! Aber ich denke, wir lassen es damit auf sich beruhen! Die Hauptsache ist doch, daß der Paulus zu Weihnachten wieder zuhause ist, hier in St.Pauls! Stellen Sie sich nur vor, die Kleine hat ihm sogar eine rotweiße Pudelmütze mit Bommel übergestülpt und ihn in eine lange rote Kutte eingewickelt. Rührend, oder?! Nun ja, ich wollte Ihnen nur Bescheid geben und hoffe, Sie hatten nicht allzuviele Umstände unseretwegen". Lukas aber erwiderte: "Nein, nur keine Sorge! Wir freuen uns genauso wie Sie ganz einfach, daß der Paulus nun wieder da ist, wo er hingehört. Und wir freuen uns natürlich auch auf das Krippenspiel heute abend! Gute Nacht, Pastor Shepherd!". Damit legte Lukas auf und schaute zu Charles Wannabe herüber: "Nun, mein Lieber, ich muß Sie enttäuschen! Der Fall hat sich von ganz allein geklärt, und der Holzkasper - wie Sie so schön zu sagen pflegten - ist wieder da! Aber keine Angst, die Auslagen für den Fall übernehme ...". Wannabe fiel ihm ins Wort und sprach: "Genau, die übernehme ich! Schon allein, damit Sie sich mit Ihrer kleinen Pension nicht übernehmen! Und außerdem ist ja Weihnachten! Und Weihnachten ist doch stets das, was man von Herzen gibt, nicht das, was man bekommt, oder?! Und jetzt Schluß mit dem Humbug hier! Sie scheren sich gefälligst nach Hause, damit Sie zur Bescherung und zum Krippenspiel nachher wieder fit sind! Und ich mach mich noch rasch an den Abschlußbericht zu unserem ersten Fall, der am Ende eigentlich gar keiner war. Hoffentlich versteht das am Jahresende auch der Fiskus, wenn ich ihm das zur Prüfung vorlegen muß?! Ach, überhaupt kommt da soviel Schreiberei auf mich zu, daß ich mir wünschte, ich hätte jetzt eine Sekretärin!". Wie auf Stichwort klopfte es an der Tür und herein trat im goldglitzernen Kostüm eines Weihnachtsengels Claudia, die freudestrahlend auf Charles zulief und ihm dann die Arme um den Hals warf, wozu sie ausrief: "Ja, Charles, die hast Du - in mir! Eine Sekretärin, und wenn Du willst, noch viel mehr!". Statt einer Antwort aber packten seine Hände ihren Kopf und zogen ihn zu sich heran, bis sich ihrer beiden Lippen berührten und in einem leidenschaftlichen Kuß miteinander verschmolzen. Lukas jedoch hielt den Moment für gekommen, sich diskret aus dem Staub und auf den Heimweg zu Yelena zu machen, die er in Kürze mit einer ähnlich stürmischen Begrüßung zu überraschen gedachte.

Jack war unterdess mit Smith und Wesson in der Yellow Brick Road vor dem dunklen Haus mit der Nummer 66 angelangt, zu dem sich die drei Agents innerhalb weniger Sekunden mit vorgehaltener Waffe und einem gewaltsamen Tritt gegen die unverschlossene Haustür Zutritt verschafften. Jack knipste vorsichtig das Flurlicht an, während die beiden anderen von dortaus die restlichen Zimmer stürmten. Ein paar Mal war dabei ein deutliches "Sauber!" zu hören, beim letzten Zimmer aber blieb diese Rückmeldung aus. Stattdessen erreichte Jacks Ohr ein leises Wimmern und ein umso lauteres Gelächter aus dem Munde von Agent Wesson. Jack lief eilends in das bewußte Zimmer, die Waffe noch immer im Anschlag und ein Auge leicht zusammengekniffen. Der Anblick, der ihn dort empfing, aber füllte seine beiden Augen mit Tränen - Tränen der Schadenfreude. Auf dem Bett lag ein bis auf die Snoopy-Boxershorts völlig entkleideter Jeffrey Douglas, mit beiden Händen mittels einer Paketschnur an den Bettpfosten festgebunden und mit einer roten Wollsocke im Mund und schaute Jack ängstlich entgegen. Zu seinen Füßen aber lag ein Blatt Papier, auf dem zu lesen war: "Ich, mieser kleiner, karrieregeiler Ausreißer, der ich mich meiner Verantwortung entziehen wollte, suche ein neues Zuhause - aus Gründen der nationalen Sicherheit vorzugsweise hinter schwedischen Gardinen. Ho-Ho-Ho! Frohe Weihnachten! G.A.". Einen kleinen Augenblick lang ließ Jack die einzigartige Ansicht noch auf sich wirken, dann wies er Agent Wesson an, Douglas aus seiner mißlichen Lage zu befreien. Der frisch Entbundene aber kreischte daraufhin sofort los: "Ich zeig Sie an wegen unterlassener Hilfeleistung und diesen Mistkerl Addons wegen Angriff auf einen Beamten in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung. Dieser Hund hat mir sogar eine mitten ins Gesicht verpaßt, schaun Sie mal!". Damit hielt er Jack seine deutlich eingebeulte Visage, in der bereits ein riesiges blaues Veilchen zu blühen begonnen hatte, direkt vors Gesicht. Jack aber lächelte nur müde und sprach: "Na immerhin, da hat mir der gute George ja dann schon mal eine Arbeit abgenommen! Und was das Anklagen angeht, das übernimmt bei Ihnen sicher gern der Staatsanwalt - zum Beispiel wegen Übertretung der amtlichen Befugnisse, Behinderung der Behörden sowie Erpressung und schwerer Gefährdung eines Unschuldigen - um nur ein paar gute Gründe zu benennen, Sie auf lange Zeit wegzusperren". Und an Smith und Wesson gewandt, ergänzte er: "Männer, Handschellen anlegen und mitnehmen! Schafft mir den Kerl bloß aus den Augen!". Und während die Agents ihren Gefangenen auf die Rücksitzbank des Fords fortschleppten, ging mit dem fernen, einsamen Glockenschlag von Big Ben auch diese erste Stunde am noch jungfräulichen Tage des bevorstehenden Heiligen Abends zuende ...

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